Unsere tropischen Meere beherbergen eine Fülle von Weichtieren, zu denen auch die Schnecken gehören. Obwohl sie eine relativ große und weit verbreitete Familie darstellen, werden sie leider nur recht selten importiert. Dies ist eigentlich schade, denn manche Arten haben sich als äußerst nützlich und langlebig herausgestellt. Zudem erfüllen sie in unseren Aquarien wichtige biologische Funktionen.Speziell bei den Porzellanschnecken (Cypraea) gibt es reine Pflanzenfresser, die uns also bei der Algenbekämpfung im Becken bestens unterstützen können. Manche gehen auch an Aas, was ebenfalls ein durchaus positiver Aspekt sein kann. Es gibt allerdings auch Arten, die sich an lebenden Tieren vergreifen und somit Hohltiere - jedoch nur die schwach nesselnden Arten - und gelegentlich sogar kleinere Fische anfallen. Auch vor Schwämmen machen sie teilweise nicht halt.
Wegen dieser teilweise für uns Aquarianer nicht akzeptablen Nahrungsansprüche ist bei den Porzellanschnecken eine gezielte Auswahl zu treffen. Einige Arten, wie z.B. Cypraea tigris, C. mappa, C. maculifera, C. arabica oder C. pantherina sind dafür bekannt, daß sie gerne an Schwämme und Lederkorallen gehen. C. tigris ist auch schon allein wegen ihrer Größe - mir wurde noch nie ein Exemplar unter 7 - 8 cm Größe angeboten - für das Riffbecken ungeeignet. Einer Dampfwalze sehr ähnlich bewegt sie sich durch das Becken und wirft dabei um, was nicht niet- und nagelfest ist.
Uneingeschränkt aus eigener Erfahrung empfehlenswert ist die sehr häufig importierte Cypraea caputserpentis. Ihre Größe hält sich auch nach einigen Jahren Pflege in Grenzen, unser größtes Exemplar mißt ca. 5 cm. Sie kommen oft schon mit 2,5 - 3 cm Größe in den Handel. Die gebuckelte Dorsalseite dieser schönen Tiere ist schokoladenbraun mit cremeweißen Flecken, der Rand ist einfarbig braun.
Bei C. caputserpentis ist nicht nur das Gehäuse schön anzuschauen, sondern auch der Hautmantel, den sie ganz oder teilweise über das Gehäuse stülpt, einer genauen Betrachtung wert. Er ist über und über besetzt mit kleinen fingerähnlichen, abstehenden Wärzchen, die cremeweiß bis lachsfarben, aber auch braun bis anthrazit sind. Den Hautmantel sieht man meist nur abends oder nachts, wenn die Schnecken im Becken unterwegs sind. Tagsüber ruhen sie sich an geschützten Plätzen aus.
Unser Becken beherbergt auch einige Exemplare der Geldkauri. Bestimmungsbüchern nach zu urteilen, dürfte es sich um die 3 Arten C. moneta, C. annulus und C. obvelata handeln. Die Bestimmung ist bisweilen recht schwer, da die Schnecken je nach Herkunft oder Art der Nahrung verschiedene Färbungen und Muster aufweisen können. Alle 3 Schnecken werden nur 2,5 - 3 cm groß, unterscheiden sich aber auf der Dorsalseite deutlich voneinander.
C. annulus besitzt eine cremebläuliche Dorsalseite mit goldgelben Ringen. Bei C. moneta ist das Gehäuse leicht rhombenförmig mit stark verdickten Rändern. In Form, Farbe und Größe ist C. moneta äußerst variabel, die Dorsalseite kann von creme bis orangegelb, sogar hellblau oder mit Querbinden gefärbt sein. Die Größe variiert von ca. 1,5 - 4 cm.
C. obleata ist dem Gehäuse der C. annulus sehr ähnlich, jedoch sind die Zähne an der Unterseite gröber gestaltet. Auch ihre Größe beträgt 1,5 - 3 cm. Unser Exemplar hat eine cremeweißen Dorsalseite mit einem goldgelben Ring, der in seiner Innenfläche bläulich gefärbt ist. Viele Autoren sehen C. obvelata als Unterart von A. annulus an.
Alle 3 Arten der Geldkauri haben den gleichen gezeichneten Hautmantel, der schwarz oder zumindest sehr dunkel und creme gezeichnet ist und stark an das Muster von Fingerabdrücken erinnert.
Auf einem Stück Riffgestein schleppten wir vor einiger Zeit ein Exemplar einer C. pallidula ein. Das Gehäuse war ca. 2 cm groß, von elliptischer Form und mit einer grünlichen Dorsalseite. Diese wiederum war bräunlich gesprenkelt. Einige dunklere Querbinden waren angedeutet. Dieses Tier wurde nur ganz kurze Zeit im Becken gesehen, so z.B. nie mit ganz ausgefahrenem Hautmantel. Über deren Freßgewohnheiten kann ich ebenfalls nichts sagen.
Die Freßgewohnheiten der zuvor vorgestellten Arten erfreuen uns Aquarianer: Wenn das Becken dunkel ist, aber ganz besonders nachts, sieht man die Tiere - für Schnecken sogar recht rasch - durchs Becken kriechen. Sie lutschen die Scheibe säuberlich ab und raspeln mit ihrer Radula Algen oder andere organische Beläge von den Steinen. Lang wuchernde grüne Fadenalgen werden allerdings verschmäht.
Hier ist zunächst eine Abreißaktion des Aquarianers angesagt, bevor die Schnecken die Reste vertilgen An Algen wie Caulerpa oder buschige Rotalgen haben sie sich bei uns noch nicht vergriffen Im Gegenteil: Epiphytische Algen oder Kieselalgen werden fein säuberlich von ihnen abgeraspelt. Wir haben die Tiere auch schon über Acropora kriechen sehen, ohne daß sie hierbei Schaden verursacht hätten.
Obwohl sie den Betrachter eher etwas plump anmuten, sind diese Tierchen äußerst wendig und geschickt. Muschelfleisch wird von einigen ebenfalls gerne genommen. Dies bietet sich auch an, um den Bedarf an tierischem Eiweiß zu decken.
Vor ca. 1/2 Jahr schenkte mir ein Händler ein Riesenexemplar einer Ovula ovum. Er hatte das Tier nicht mit anderen vergesellschaftet, sondern einzeln in einem kleinen Becken gehalten. Ovula ovum ist für mich eine der
schönsten Schnecken. Ihr Gehäuse ist eiförmig, glatt mit einer verdickten, schwach gezahnten Außenlippe. Die Außenseite des Gehäuses ist glänzend weiß, die Innenseite dunkelbraun. Das schönste an ihr ist jedoch ihr Hautmantel, der tiefschwarz und über und über mit weißen und orangefarbenen Wärzchen bedeckt ist. Leider ist Ovula ovum ein Nahrungsspezialist, der im Becken breite Freßspuren zurücklassen kann.
Hydroidpolypen sind offenbar ihre bevorzugte Nahrung. Ich habe versucht, die Schnecke an Ersatzfutter zu gewöhnen, allerdings vergebens. Da sie in unserem Becken nicht gehalten werden konnte - nur zu einer Fotosession wurde sie kurz eingesetzt - habe ich sie dem öffentlichen Aquarium der Stadt Ulm gegeben. Dort hat sie noch längere Zeit in einem Fischbecken gelebt, bis sie schließlich verhungert ist.
Vor ca. 2 Wochen konnte ich an einer C. caputserpentis interessante Beobachtungen machen. Ein Stein war im Becken abgestürzt, an dessen Unterseite hing eine ca. 5 cm große Schlangenkopfschnecke. Da sie sich über einen längeren Zeitraum nicht von der Stelle bewegte - schließlich sollte der Stein, an dessen Oberseite eine Steinkoralle wuchs, wieder ordentlich hingestellt werden -, haben wir sie mit einer Zange abgenommen. Unter dem Tier kam ein größeres Gelege mit ca. 1,5 mm großen, ovalen champagnerfarbenen Eiern zutage. Das Gelege selbst war schwach kegelförmig angeordnet. Aus wievielen Eiern das Gelege bestand, kann schlecht geschätzt werden, es waren aber sicherlich mehrere hundert.
Die Freude über das Gelege war zunächst nicht sonderlich groß. In der einschlägigen Literatur konnte Ich hinsichtlich der Fortpflanzung speziell bei Porzellanschnecken nahezu nichts in Erfahrung bringen. Es war ja nicht einmal sicher, ob es ihr eigenes Gelege war. Wir hatten schon des öfteren Gelege von schmarotzenden Nacktschnecken gefunden, die genauso aussahen. Sollte es sich um solch ein Gelege handeln, blieb uns nur noch der Trost, daß C. caputserpentis vielleicht ein natürlicher Freßfeind von solchen Gelegen sein könnte.
Wir setzten die Schnecke wieder auf das Gelege und behielten es sehr genau im Auge. Das Tier wurde beobachtet, wie es sich mehrmals langsam um die eigene Achse drehte. Fraß sie die Eier? Legte sie selbst weitere Eier ab? Nach 2 Tagen nahmen wir sie erneut vom Gelege ab. Das Gelege war von Form und Farbe jedoch unverändert. Nun wurde das Tier in einiger Entfernung vom Gelege abgesetzt. Binnen kurzer Zeit saß die Schnecke jedoch wieder auf dem Gelege und bedeckte es völlig. Es war nun sicher, daß es sich bei dem Gelege um ihr eigenes handelte und wir wollten sie nun nicht weiter stören. In sehr kurzen Abständen wurde kontrolliert, ob sich an Schnecke und Gelege etwas verändert hatte.
Bis zum 6. Tag geschah absolut nichts. Die Schnecke saß nur, ohne sich zu drehen, auf dem Gelege. Am späten Abend des 6. Tages wurde die Warterei dann belohnt. In kurzen Abständen entließ die Schnecke viele Schwimmlarven ins Wasser. Sie sahen aus, wie sehr kleine, nicht ganz runde Seifenblasen mit einem winzigen kopfähnlichen Ende und wurden je als kleine Kette aus ca. 4 - 6 "Bläschen" abgegeben.
Im nachhinein wurde ich dann auch in der Literatur fündig und brachte in Erfahrung, daß die Porzellanschnecken getrenntgeschlechtlich sind und die Weibchen auf ihren Eiern sitzenbleiben. Hoffnung auf eigene Nachzuchten haben wir jedoch keine. Es gibt in unserem Becken zu viele Bewohner, die diese kleinen Larven mit großem Appetit verspeisen würden, allen voran unsere Garnelen. Allerdings haben wir des öfteren ganz kleine Schnecken an der Scheibe beobachten können. Ob es "nur" irgendwelche winzigen Schneckchen sind oder vielleicht doch Nachzuchten von Porzellanschnecken, wird wohl noch eine Weile ein Geheimnis bleiben. Die Gehäuse sind noch zu zart und zerbrechlich, so daß ich den Versuch, sie von der Scheibe zu nehmen und näher zu betrachten, lieber nicht wage.
Eine C. annulus konnte vor wenigen Tagen ebenfalls auf ihrem Gelege inmitten einer "Xenia-Wiese" beobachtet werden. Das Gelege war etwas kleiner und von schmutzigbeiger Farbe. Es machte insgesamt einen etwas "unordentlichen" Eindruck. Nach zwei Tagen waren Schnecke und Gelege allerdings verschwunden.
Wer Porzellanschnecken im Becken pflegt, dem werfen sich natürlich eine ganze Reihe von Fragen auf. Was ist der natürliche Lebensraum dieser Tiere? Was und wie fressen sie, wie entstehen ihre Gehäuse und die phantastischen Muster und Farben darauf?
Sicherlich hatte der eine oder andere Leser in der Zwischenzeit die Idee, so manchen Fachhändler nach Porzellanschnecken "abzugrasen". Fündig geworden sein dürfte er nur in den seltensten Fällen. Es ist eben nach wie vor selten, daß diese nicht nur schönen, sondern auch nützlichen und vor allen Dingen haltbaren Tiere im Handel angeboten werden.
Von unseren "Nachzuchten" (oder auch nicht!) der C. caputserpentis lassen sich ab und zu Schnecken an der Frontscheibe sehen. Sie sind zwar etwas größer geworden, aber ich wage es nach wie vor nicht, eines der Tierchen näher zu untersuchen. Also warten wir weiter!
Der folgende Teil meines Berichtes wird leider etwas trockener werden, aber das hat die reine Theorie leider so an sich. Ich möchte auch nur einen groben Umriß dessen geben, was ich nicht nur als Aquarianerin, sondern auch als Conchiliensammlerin für unabdingbar wissenswert halte.
Die Porzellanschnecken kommen in allen warmen Meeren vor, insbesondere der indopazifischen Region. An der gesamten afrikanischen Ostküste ab Durban, im Roten Meer, Persischen Golf, Chinesischen Meer, Gelben Meer, im tropischen Pazifik von Kiushiu südöstlich bis zur Osterinsel einschließlich Hawaii, ja sogar im Mittelmeer sind Cypraea-Arten vertreten.
Besonders artenreich sind sie im Gezeitenbereich und im Sublitoral (Kontinentalschelf) vertreten. Im Gezeitenbereich - in den tropischen Meeren die Oberfläche der Korallenriffe - leben die widerstandsfähigeren Arten mit gutem Haftvermögen. Hier herrschen oft stärkste Wasserbewegungen, außerdem müssen die Tiere Naß- und Trockenperioden überstehen. Der Kontinentalschelf umfaßt die Laminarienzone mit Grün-, Braun- und Rotalgen. Hier herrschen die pflanzenfressenden Arten vor, während in der tiefer gelegenen Corallinenzone mit Kalkalgen, Hydroidpolypen und Bryozoen und im Korallengürtel sich die fleischfressenden Arten aufhalten.
Der Körperbau der Weichtiere, den "Niederen Tieren" zugehörig, ist im Grunde einfach und primitiv. Er besteht aus einer scheinbar formlosen, ungegliederten bilateralen (zweiseitigen) symmetrischen Gewebemasse, die in der Regel vier Abschnitte umfaßt: den Kopf mit den typischen Freßwerkzeugen, nämlich der Radula, den Eingeweidesack mit den inneren Organen und schließlich den Mantel, eine fleischige Hautfalte, die den Rücken umhüllt.
Das Nervensystem besteht im Prinzip aus paarigen Nervenknoten, den sogenannten Ganglien, die durch Nervenstränge miteinander verbunden sind. Die Nervenknoten haben spezielle Funktionen. Von ihnen werden die Kopfsinnesorgane (Cerebralganglion), der Mund (Buccalganglion), die Frenmuskulatur (Pedalganglion), der Mantel (Pleuralganglion) und die Eingeweide (Intestinalganglion) versorgt. Ein unpaariger Nervenknoten liegt unterhalb des Darms in einem Verbindungsstrang zwischen der linken und rechten Körperhälfte. Die zusammengehörigen Ganglien sind durch Querverbindungen (Kommissuren) verbunden. Die Verbindungsstränge zwischen den Ganglien jeweils einer Seite sind Längsverbindungen (Konnektive). Die Sinnesorgane sind einfach ausgelegt. Von der gesamten Oberfläche des Mantels und des Fußes, insbesondere aber von den Fühlern können Tastempfindungen wahrgenommen werden. Geruchs-, Geschmacks-, Licht-, Strömungs- und Lagewahrnehmungen finden ebenfalls statt.
Mollusken bewegen sich auf verschiedene Arten vorwärts. Die meisten kriechen mit Hilfe ihres äußerst muskulösen Fußes, indem sie Teile der Fußmuskulatur rhythmisch zusammenziehen und entspannen. Speziell
bei den Cypraea-Arten können Kontraktionswellen nicht nur von vorn nach hinten laufen, sondern genauso von einer Seite zur anderen oder auch diagonal. Die Tiere sind somit äußerst "manövrierfähig" und können sich auf der Stelle drehen. In diesem Fall laufen die Kontraktionswellen auf der vorderen Hälfte des Fußes immer in die Drehrichtung.
Kriecht die Schnecke an der Aquarienscheibe entlang, sind die Kontraktionsbewegungen gut sichtbar. Die Fußsohle wird zudem von speziellen Schleimdrüsen geschmiert.
Die Radula, die Raspelzunge, ist das charakteristische Freßorgan des gesamten Stammes der Mollusken. Eine Mundhöhle ist bei den Porzellanschnecken nicht ausgebildet. Sie verfügen lediglich über einen erweiterten Schlund, die sog. Pharynx mit der Radula.
Diese ist vielseitig verwendbar und ermöglicht es dem Tier, einzelne Nahrungsbrocken oder -partikel abzutrennen, aufzunehmen oder zu zerstückeln. Die Radula ist ein knorpeliger Wulst, der auf seiner Oberseite die Reibeplatte trägt, eine mit Reihen stehender, spitzer, nach rückwärts gekrümmten Zähnchen besetzte Kutikularschicht.
Diese Reibeplatte wird als Raspel- oder Schleckorgan genutzt. Einige Schnecken können mit ihrer Radula sogar Löcher in die Schalen anderer Tiere bohren. Hierbei wird die Arbeit von durch spezielle Drüsen ausgeschiedener kalklösender Flüssigkeit unterstützt.
Bei Gebrauch werden jeweils die vorderen Zähne abgenutzt. Sie müssen aber durch ständig von hinten aus dem Radulasack nachrückende Zähnchen ersetzt werden. Die Ersatzproduktion ist im Laufe eines Schneckenlebens nicht gleichbleibend, sondern nimmt mit zunehmendem Alter ab. Geht man von einer täglichen Ersatzleistung von 3 Zahnreihen bei (hypothetisch) 120 Querreihen aus, so kann die Erneuerung der gesamten Radula ca. 40 Tage betragen.
Die Cypraea-Arten verfügen über eine taenioglosse Radula, d.h., sie besitzen eine Mittelplatte und auf jeder Seite eine Zwischen und zwei Seitenplatten. Die Radula-Zähnchen bestehen aus Kieselsäure und sind nur etwas härter als Fingernägel.
Beobachtet man eine an einer Aquarienscheibe hochkriechende Schnecke, so kann man deutlich ihre an der Scheibe schleckende Radula beobachten. Wer sich nicht davor ekelt, kann ruhig einmal eine Weinbergschnecke oder eine Nacktschnecke aus unseren Gärten auf die Hand nehmen und wird fühlen, wie das Tierchen alsbald den harmlosen Versuch unternimmt, an der Haut zu raspeln.
Der alte Grieche ARISTOTELES war übrigens der erste, der die Funktion der Radula bei der Arbeit beschrieb.
Den Schnecken fehlt auch ein inneres Skelett. Die Schale wird oft als "Außenskelett" bezeichnet. Sie bietet dem Tier zwar Schutz gegen die Außenwelt oder feindliche Zugriffe, gibt ihm aber weder Halt noch Festigkeit (vgl. Nacktschnecken!). Das Gehäuse stellt somit lediglich ein lose mit dem Tier verbundenes Teil dar, das mitgetragen werden muß - ein Ausscheidungsprodukt, das verdickt und vergrößert, erweitert und bei Beschädigungen sogar notdürftig repariert werden kann.
Am Stoffwechsel des Tieres nimmt die Schale jedoch nicht teil. Wie eben schon angedeutet, ist die Schale der Porzellanschnecke ein Ausscheidungsprodukt der Manteloberfläche, des sogenannten Mantelepithels, einer Zellschicht der Hautoberfläche mit schleimerzeugender und absondernder Funktion. Sie besteht aus organischem und anorganischem Material in verschiedenen Mischungsverhältnissen und ist in mehreren Schichten aufgebaut.
Die einzelnen Schalentiere enthalten Conchiolin, eine organische Substanz, die dem Chitin im Panzer der Krebse und Insekten chemisch verwandt ist. Das Verhalten der einzelnen Schalenschichten beruht auf elektro-chemischen Vorgängen, die durch die im Conchiolin enthaltenen Aminosäuren (Thyrosin, Lysin. Asparagin) ausgelöst werden. Die Unterseite eines anfänglich gebildeten embryonalen Periostrakumhäutchens wirkt als Kathode, an der sich die ebenfalls durch Epithelausscheidungen zugeführten Calcium-Salze anlagern.
Kristallisationspunkte und -stärken werden von der Struktur der in der Ausscheidung enthaltenen Eiweißverbindungen bestimmt. Diese wiederum stehen in einem empfindlichen Gleichgewicht mit verschiedenen äußeren Faktoren wie Wasserstoffionenkonzentration (pH-Wert), Wassertemperatur und Salzgehalt.
In den unteren Schalenschichten ist der Conchiolingehalt stark reduziert. Die ganze Schale besteht schließlich nur noch aus etwa 10% (und weniger) organischer Substanz und aus 90% (und mehr) anorganischen Anlagerungen - hauptsächlich Calciumcarbonat (CaCO3), das im Schaleninneren als Aragonit bzw. bei entwickelteren Formen als Calcit auskristallisiert. Magnesiumcarbonat, Phosphate und Silikate spielen eine untergeordnete Rolle. Die Aufnahme dieser Stoffe aus dem umgebenden Wasser erfolgt vor allem über die Manteloberfläche und die Kiemen.
Die Schale wächst nicht ununterbrochen, sondern in immer wiederkehrenden Zeitabschnitten (periodisch). Die oberen Schichten entstehen in besonderen Bildungszonen des Mantelrandes, während die innere Schicht, die ja der ganzen Mantelfläche aufliegt, von allen Teilen der Manteloberfläche gebildet wird. Daraus ergeben sich zwangsläufig zwei Wachstumsrichtungen - parallel zum Rand (Größenwachstum) und senkrecht zur Oberfläche (Dickenwachstum). Die Schale wird also sowohl am Rand größer und breiter als auch nach innen zu laufend verstärkt.
Vieles über die Wachstumsabläufe und deren Periodizität ist heute noch ein Rätsel. Man weiß nur, daß die Zuwachsperioden schnell ablaufen. Äußere und innere Faktoren wie Wärme, Kälte, Nahrungseinflüsse usw. können den Aufbau der Schale fördern oder hemmen. Zu ungünstigen Zeiten kann die Bautätigkeit ganz eingestellt werden.
Wie schon vorher kurz angeschnitten, können Beschädigungen an der Schale repariert werden. Vorausgesetzt natürlich, daß das für die Abschnitte zuständige Mantelgewebe unverletzt und insbesondere noch in Reichweite des Mantelsaums liegt.
Die Mitteldarmdrüse verstärkt während der Ausbesserungsphase ihre Tätigkeit, und es werden besonders viele Kalkpartikel und andere notwendige Baustoffe vom Mitteldarm her in die Epithelzellen des mit der Ausbesserung befaßten Mantelsaumes transportiert.
Von einem besonderen Teil des Mantelepithels werden Farbpigmente, die vom Weichtierkörper produziert werden, während der Wachstumsphase in die Musterkalkschicht eingelagert. Die Bildung der Pigmente ist stark nahrungsabhängig. Die Farbpigmente sind säurelösliche (Pyrole, Melanine, Porphyrine) oder säureunlösliche (Chromoproteine) Substanzen.
Auch die Farbmuster sind Ergebnisse von periodischer Tätigkeit. Werden am Mantelrand kontinuierlich durch die Epithelzellen Pigmente abgesondert, so entstehen spiralige oder radiale Linien und Bänder. Wird periodisch Sekret abgegeben, so entstehen Punkte oder Flecken. Eine einheitliche Schalenfarbe entsteht, wenn der Mantelsaum über eine geschlossene Drüsenkette pigmentiert. Bei periodischen Unterbrechungen kann diese dann auch wieder als Abfolge axialer oder konzentrischer Linien erscheinen. Girlanden, Wellenbänder usw. ergeben sich, wenn im Wachstumsverlauf die zonale Pigmentierung wechselt. Bei den Porzellanschnecken ist die Fuge zwischen den beiden über dem Gehäuse zusammengeschlagenen Mantellappen in der Rückenlinie als Zone mit ausgesetzter Pigmentabscheidung zu erkennen. Die Rückenlinie kann sowohl einfach als auch verzweigt verlaufen wie bei der C. mappa, kann weiß sein oder aber nur heller gefärbt.
Die Bedeutung der Farbmuster ist ebenfalls noch größtenteils unbekannt. In einigen Fällen kann man auf Schutzfärbung schließen, wenn beispielsweise das Aussehen der Schale dem der Umgebung stark ähnelt. Stark kontrastierende Linienfolgen erschweren z.B. die Wahrnehmung der Schalensilhouette vor einem unruhigen Hintergrund (Somatolyse = Auflösen des Körperumrisses).
Schon vor vielen Jahrtausenden hatte der Mensch die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten von Muscheln und Schnecken erkannt. Die Weichteile vieler Arten sind eßbar und aus den Gehäusen und Schalen wurde Schmuck, aber auch nützliches Gerät für den täglichen Bedarf wie Trinkgefäße, Schöpfkellen usw. hergestellt. Selbst heute noch wird - je nach Mode - bei uns Schmuck mit Schnecken und Muscheln angeboten. Auch kennt jeder von Kirmes oder Volksfest die philippinischen Blumenampeln, Hängelampen etc., die aus Hunderten, ja manchmal Tausenden von Cowries hergestellt worden sind Die Herstellung derartiger Gegenstände ernährt dort eine große Zahl von Menschen .
Aus vorchristlicher Ritztechnik hat sich im Laufe der Zeit die Kunst des Kameenschnitzens entwickelt. In der Schmuckschatulle so mancher Großmutter oder im Antiquitätenladen können derartige zauberhafte Schmuckstücke bewundert werden Speziell hierfür wurden meistens Gehäuse von Porzellanschnecken verwendet, weil ihre unterschiedlich gefärbten Kalkschichten besonders reizvolle Effekte ergeben.
Geld - Geld - Geld ...... die wohl berühmteste und mithin bekannteste Porzellanschnecke ist die "Geldcowrie", C. moneta. Wegen ihrer Schönheit fand sie zunächst Verwendung bei der Verzierung von Kleidungsstücken. Die eigentliche Bedeutung als Zahlungsmittel erfuhr sie erst wesentlich später. Allein Gegenstände, die mit dieser eigentlich sehr häufig vorkommenden weintraubengroßen, stark glänzenden Schnecke verziert oder regelrecht bestickt waren, hatten den Status von Geld bekommen. Lange vor Christi Geburt wurden sie von chinesischen und arabischen Händlern ins südliche China, Zentralafrika und Zentralindien eingeführt. Sie waren Zahlungsmittel im weltweiten Handel mit Elfenbein und Sklaven.
Indien und Westafrika benutzten Kaurigeld am längsten. Die seinerzeit im Umlauf befindlichen Schalen stammten größtenteils von den Malediven. Schon um das Jahr 1346 berichtete der Handlungsreisende Ibu BATTUTA, wie die Cowries zu Zehntausenden gesammelt, gereinigt und nach Jemen, Thailand oder Bengalen verschifft wurden.
Als die Malediven 1515 von den Portugiesen übernommen wurden, übernahmen sie auch die Kontrolle über den "Schneckenhandel". Im 17. und 18. Jahrhundert übernahmen die Holländer und dann die Engländer die Kontrolle, so daß ein ständiger Fluß der Schalen über London und Amsterdam zu den Sklavenmärkten in Westafrika bestand. Selbst die Deutschen hatten Mitte des 19. Jahrhunderts einen Markt für Cowrie-Schnecken entwickelt, wobei hier die beringte Kaurischnecke (C. annulus) an Bedeutung gewann und schließlich die Kaufkraft ihrer gelben Schwester C. moneta übertraf.
So hatten innerhalb von 10 Jahren fünf deutsche Handelsgesellschaften die Verschiffung von über 35000 Tonnen nach Westafrika übernommen, wo sie gegen Palmöl und später gegen Sklaven getauscht wurden. In dieser kurzen Zeit wurden allein um die Insel Sansibar 14 Milliarden Cowries gesammelt.
Inflationäre Entwicklung im Schneckenhandel ließ den Handel zurückgehen. Im Jahre 1896 wurde die letzte große Schiffsladung aus deutschen Vorräten in Umlauf gebracht. In den afrikanischen Kolonien traten Gesetze in Kraft, die den über 600 Jahre alten Handel mit Cowries als Zahlungsmittel verboten.
Allerdings waren noch kleinere Mengen dieser attraktiven Schneckenschalen im nordwestlichen Ghana und an der Elfenbeinküste im Umlauf. Im südöstlichen Nigeria mußten im Jahre 1949 (!) immerhin 700000 Kaurischnecken für eine Braut bezahlt werden!
Und woher hat die Porzellanschnecke ihren Namen? Niemand weiß es, aber auf keinen Fall vom Porzellan.
Erstaunlicherweise und sicherlich den meisten unbekannt: es ist gerade umgekehrt!
Als MARCO POLO im 13. Jahrhundert das erste feine Porzellan aus China nach Europa brachte, fiel hier die verblüffende Ähnlichkeit dieses Werkstoffes mit jenen Mittelmeerschnecken auf, die man in Italien "porcellane" oder "porcelette" nannte.
So erhielt das Porzellan seinen Namen von einer schlichten Meeresschnecke - und nicht umgekehrt, wie man vermuten möchte!
- ENDE -
© KORALLIN